5. August 2017 Weltrekord

Never give up – Schwerbehindertem gelingt neuer „Geschwindigkeitsweltrekord für strassenzugelassene Motorräder mit Verkleidung"

Mr. Hayabusa hat in 2012 in Pferdsfeld/ Frankfurt mit einer Turbo-Hayabusa auf einem ehemaligen Flugplatz mit 330,43 km/h einen Geschwindigkeitsweltrekord für strassenzugelassene Motorräder aufgestellt. Auf nur 2500m musste sowohl beschleunigt als auch gebremst werden. de.wikipedia.org/wiki/Elmar_Geulen

Seit 2012 war mein Denken & Handeln darauf fokussiert, meinen eigenen Speedrekord weiter in die Höhe zu schrauben. Doch am 20.05.2013 erlitt ich durch einen Sturz bei einem Straßenrennen einen dreifachen Genickbruch. Seit diesem Moment sah die Realität nicht mehr so rosig aus. Ich glaube, dass ich der Einzige auf der Welt bin, der einen dreifachen Genickbruch ohne Querschnittslähmung ab dem Hals überlebt hat. Ich war mit dem Kopf beziehungsweise dem Sturzhelm als erstes aufgeschlagen, die Wirbelsäule wurde im Genick so stark gestaucht, dass mein erster Wirbel- der „Atlas“- durch den Aufprall im drei Stücke zerplatzte. Der Atlas und der Axis nehmen durch ihre besondere Form bei der Wirbelsäule eine Sonderstellung ein. Sie umschließen den auslaufenden Hirnstamm, in welchem viele wichtige, ja sogar lebenswichtige Funktionen liegen. Beide Wirbel sind nicht durch eine Bandscheibe verbunden. Dadurch kann man den Kopf in alle Richtungen drehen, heben und senken.

Bei mir war nun der „worst case“ eingetreten: Sowohl der Atlas als auch der Axis waren durch den abrupten Aufprall in drei Teile geplatzt beziehungsweise lose. Ich „erhielt“ eine Metallplatte mit drei im Hinterkopf und weitere sechs Schrauben im ersten sowie im zweiten Halswirbel, die die Wirbelsäule mittels der Metallplatte fixieren. Selbst nachdem diese durch eine weitere OP wieder entfernt wurde, bin ich nicht mehr in der Lage, den Kopf mehr als 1,5cm nach rechts oder links zu drehen- ich musste deshalb in 2017 mit Strassen/ Rundstrecken-Rennen aufhören, da ich nicht mehr in die Kurven schauen konnte. Und jeder Rennfahrer weiß, man fährt dahin, wohin man schaut.

Ich kann aber auch meinen Kopf auch nur noch bedingt in einen begrenzten Winkel anheben & senken. Aus einer anderen Halswirbelsäulen-OP habe ich dauerhaft eine Metallplatte in der Wirbelsäule. Die Brustwirbelsäule ist inzwischen bis auf einen Brustwirbel komplett versteift. Das hat für Geschwindigkeitsweltrekordversuche extreme negative Aspekte: ich kann mich nicht mehr auf dem Motorrad zusammenfalten, klein machen. Wenn ich den Oberkörper nach vorne beuge, sehe ich nur noch meinen Tank, aber nicht mehr wohin ich fahre. Ich „sitze“ nun auf meiner SD-Performance –Turbo-Hayabusa wie nicht, zusammengefaltet wie ein Rennfahrer, sonder eher wie Tourenfahrer- mit 100 kg & 188cm Größe ist der Vergleich mit einer Schrankwand am treffendsten…

Absolut unrealistisch, meinem Ziel nach einem neuen Speedweltrekord weiter nachzujagen. Der Luftwiderstand und die Luftwiderstandkraft hängen von mehreren Faktoren ab. Linear vom cw-Wert, der Angriffsfläche des Gegenstandes (also meine Hayabusa und ich) und der Dichte der Luft, und vom Quadrat der Geschwindigkeit d.h. die Luftwiderstandkraft vervierfacht sich, wenn die Geschwindigkeit verdoppelt wird. Es muss beispielsweise insgesamt allerdings die acht-fache Motorleistung zur Verfügung stehen, um die Geschwindigkeit zu verdoppeln.

Aufgeben war & ist für mich keine Option. Der Körper ist bei diesen Beschleunigungen extremen Belastungen ausgesetzt- im Gegensatz zur Formel1 ist man nicht in einem Sitz festgeschnallt, sondern muss sich mit eigener Körperspannung auf dem Motorrad halten. Das Festhalten am Lenker muss jedoch sensibel geschehen, ansonsten überträgt sich schnell eine Unruhe in das Fahrwerk.)

Ich habe mich nach meinem dreifachen Genickbruch wieder täglich in die „Muckibude“ begeben, damit meine Physis es mir überhaupt ermöglicht, die Turbohaya wieder reiten zu können… Ich entschied mich mit meinen Weltrekordpartnern Partnern Sebastian Scholz von SD-Performance www.sd-performance.de und Stefan Kolberg von TurboTotal www.turbo-total.com jetzt richtig aufzurüsten, da ich am cw-Wert nichts ändern konnte. Ein Garrett Turbolader mit einem wassergekühlten Ladeluftkühler mit eigenem Wasserkreislauf ist in einem Motorrad absolutes Neuland. An Ende standen auf dem Prüfstand bei SD-Performance 511,2 PS und 434 Nm- genug um einen amtlich Schwerbehinderten auf einen Weltrekord zu schießen???

Die Übersetzung der Hayabusa ist serienmäßig 17:40. Um die Hayabusa, mit ihrer Originalübersetzung von 17:40, auf eine von uns gewünschte Geschwindigkeit i.H.v. ca. 360km/h zu bringen, benötigten wir eine Endübersetzung von 19:34. Da das originale Hinterrad maximal als kleinstes Kettenrad 38 Zähne zulässt, musste ein anderes Hinterrad mit einer anderen Kettenradaufnahme eingebaut werden, welche nun auch ein 34er-Kettenrad zulässt.

Ich ersetzte die Originalscheibe der Verkleidung gegen eine höhere Verkleidungsscheibe, setzte mich mit der Firma WUNDERLICH zusammen und fand zusammen mit Frank Hoffmann ein geniales Instrument in Ihrem Portfolio: der Wunderlich Spoileraufsatz Vario-ERGO. Eigentlich für Tourenfahrer gedacht, sollte es mir den Speedweltrekordversuch erleichtern. So übernachtete die SD-Performance-Turbo-Hayabusa bei WUNDERLICH- als ich sie wieder abholte, hatte die Entwicklungscrew eigens einen eigenen Halter für den Spoileraufsatz an meine Haya konstruiert & schon montiert.

Ich feilte weiter an der Eliminierung meiner körperlichen Behinderungen und Stefan Piwek von SHARK Deutschland schlug mir den SHARK VISION R vor. Der SHARK VISION R hat ein höheres Sichtfeld- also ein „must have“ für meine Zwecke…

Doch musste ich noch weiter an der Optimierungsschraube drehen. Ich fand beim VISION R eine Lüftungsabdeckung unter der sich zwei Lüftungslöcher befanden. Die nutzte ich um dort Spanngummis einzuhaken. Meine HELD/ SkillSkin- Kombi versah ich rechts & links vom Rückenhöcker mit Kabelbindern. An denen befestigte ich nun die auf Länge gekürzten Spanngurte. Eine enorme Erleichterung für mich, denn so hatte ich wieder ein paar Grad mehr den Kopf in Richtung Nacken. Durch diese Hilfe verkrampfte auch nicht mehr so schnell.

So gerüstet, ging der Tross am Samstag, den 05.08.2017 auf die Reise nach Rheinland-Pfalz auf einem Flugplatz mit einer 3000m langen Start & Landebahn.

Lars Römer war bei dieser Aktion wie immer mit. Undenkbar ohne Lars…

Wir zwei haben in den letzten Jahren schon einige Rückschläge gemeinsam verdaut. Erst vor zwei Wochen waren wir mit dem kompletten Tross dort aufgetaucht- aber das Wetter spielte nicht mit- es regnete; und mit über 500 PS am Hinterrad geht im Regen nix- das ist wie bei den Nitros am Hockenheimring…

Nach 20.00 Uhr war die Landebahn uns und ich versuchte, selbst die jeweils 250m vor und hinter der Landebahn mit einzubeziehen. Schwierig, sehr schwierig- dort wuchsen Gewächse, die ich noch nie gesehen habe…

Konzentriert ging ich ans Werk- erst mal die Landebahn kennen lernen- checken welche Seite der Landebahn besser für meinen Speedweltrekord ist.

Dann ging es auch schon gut los- 334,9 km/h beim zweiten Versuch versprachen einen guten Abend….doch bei den weiteren Starts wurde die erziele Höchstgeschwindigkeit nicht besser, sondern schlechter. Das Motorrad entwickelte quasi ein Eigenleben- das Bike wurde im 4. & 5.Gang extrem nervös….doch was sollte ich machen- jammern und abbrechen- no mercy, ich schob dieses Eigenleben der Strecke zu- dort gab es dicke Bitumenlängsstreifen - das war kein Bonneville / USA Feeling, wo es in der Salzwüste 10 km flat geradeaus geht…

(Was würde ich dafür geben, einmal einen Rekordversuch zu fahren, bei dem endlich einmal nicht die Steckenlänge, sondern der Drehzahlbegrenzer meinen Vorwärtsdrang einbremst!)

Ich wusste, daß über 500 PS selbst bei 300 km/h den Bridgestone-Hinterradreifen bedingungslos richtig dicke schwarze Streifen produzieren lässt und versuchte, mir die Schwammigkeit der Hayabusa dadurch zu erklären. Doch auf einmal sah ich auf dem Drehzahlmesser, wie die Nadel in Sekundenbruchteilen rund 2000 Touren höher schoss- das war selbst mit dem Wheelspin (Durchdrehen des Hinterrades beim Beschleunigen) nicht zu erklären. Es fühlte sich vielmehr so an, als ob die Kupplung durchrutschen würde. Doch das war fast unmöglich- wir hatten eine Dragsterkupplung aus den USA eingebaut. Die muss auf der ¼ Meile bei den Profis sogar mit ca. 650 PS klarkommen. Jeder weitere Run wurde gefährlicher und im Ergebnis kam ich nicht mehr an meinen Bestwert von 334,9 km/h.

Als ich wieder einmal am Ende der Landebahn drehte, bemerkte ich, dass die Turbo nicht mehr sauber lief, hielt direkt an und stellte fest, dass mein Hinterrad auf der kompletten rechten Seite komplett voll Kühl/ Öhlflüssigkeit war- gleichzeitig lief die Turbo nicht mehr auf allen Zylindern. Aus, Ende mit weiteren Rekordversuchen.

Wahrscheinlich wird irgendein 5 Euroteil in diesen hochgezüchteten 4 Zylinder- Kraftpaket dem Motor den Garaus bereitet haben. Seb von SD-Performance wird nun den Datenlogger auslesen und wir werden nach Demontage des Motors dem Fehler auf den Grund gehen. That`s Racing…

Jetzt heißt es mal wieder: nach dem Weltrekord ist vor den Weltrekord.

Die zweite 500 PS-Rakete wird in 2018 gestartet……. NO MERCY!

Euer

Mr. Hayabusa / Elmar Geulen