September 2011 Weltrekord

Zwei Versuche – ein Volltreffer

Text und Fotos: Internationaler Pressedienst Koch (Ulm)

Mr. Hayabusa mag keine halben Sachen. 700 Kilometer Anreise mit 30 Tonnen Racing-Equipment für nur einen Weltrekordversuch? Warum dann nicht gleich noch einen weiteren Rekord anpeilen?

Gesagt – Getan. Auf dem Plan für die beiden Tage, an denen dem Team das "Driving Center" Groß Dölln (ehemals größter Militärflughafen der russischen Armee in Brandenburg) zur Verfügung gestellt worden war, stand kurz und bündig:


05./06. September 2011:

1. Weltrekord "Schnellstes straßenzugelassenens Motorrad" (Ziel: 350 km/h)
mit einer modifizierten Suzuki Hayabusa.

2. Weltrekord "Schnellstes Naked Bike" (unverkleidetes Motorrad; Ziel: an die 300 km/h) mit einer ebenfalls straßenzugelassenen Suzuki B-King.


Anreise schon am Abend des 04.09. (Sonntag) - und die stand zunächst unter keinem guten Stern. Ein Reifenplatzer  am Motorrad-Trailer brachte den Teambus "Neoplan Skyliner Nightliner" samt Mannschaft und Material aus dem Zeitplan. Nach erfolgter Reparatur - von den Rennmechanikern Daniel und Lars in Rekordzeit durchgeführt - versagte dann das Navi im Dschungel des ehemaligen Militär-Sperrgebiets.

Endlich, es war schon dunkel geworden, stand die komplette Team-Infrastruktur an ihrem Platz.
Zeit für das ausführliche Team-Meeting. Mit dabei: Rekordjäger Elmar Geulen; die Mechaniker Daniel Lauenstein und Lars Römer; Mathias Henes von Suzuki International Europe; Filmemacher Steven Strange aus England sowie Karin Koch und Michael Busch (Internationaler Pressedienst Koch) als Pressesprecher.

Ein Blick aufs aktuelle Wetter-Radar bringt die erste Ernüchterung: morgen (Montag) Regen, den ganzen Tag. Ein Drehteam des MDR wird erwartet - die Dreharbeiten werden kurzerhand auf den Dienstag verlegt; der verspricht trocken zu werden.

Die weitaus schlimmere Hiobsbotschaft überbringen die Mitarbeiter des Driving-Center: trotz der verbindlichen Buchungszusage von Betriebsleiter Peter Moers, die vor etlichen Wochen erfolgt war, hatte man einen  zahlenden Kunden auf denselben Termin gelegt. Die 3,5 Kilometer lange Piste würde nicht zur Verfügung stehen. Kürzer kam nicht infrage, denn Mr. Hayabusa würde die Rekordmaschine nicht nur auf ein Tempo weit jenseits der 300 km/h beschleunigen müssen - er muss auch wohlbehalten wieder zum Stillstand kommen. Die nötige Länge hat nur die vereinbarte Landebahn.

Protest, sachliche Diskussion, Beschwichtigung durch Peter Moers: "Ich schaufele euch ein Zeitfenster frei."

Ein Zeitfenster anstelle der vereinbarten zwei Tage - der Zeitplan konnte nur noch rudimentär eingehalten werden und stellte sich mehr und mehr als reines Chaos dar. Dazu noch das Wetter...

Der Montag (05.09.2011) - eigentlich sollte bereits frühmorgens mit dem "Herantasten" an die Rekordgeschwindigkeiten begonnen werden - ließ wetterbedingt keine Möglichkeit, auch nur einen Meter zu fahren. Theoretische Vorbereitung für die Dreharbeiten; einige Innenaufnahmen im Teambus; Interviews und technische Berechnungen.

Am frühen Abend trocknet die Strecke für einen Moment halbwegs ab, ist aber immer noch zu nass für die 400 PS starke Suzuki Hayabusa. Wenigstens die B-King darf kurz auf die Piste, die aus groben Betonplatten besteht. Alle fünf Meter eine tückische Dehnungsfuge mit aufgewölbtem Bitumen - 700mal pro Fahrt wird das Fahrwerk kräftig durchgerüttelt.

Nach dem ersten Turn bestätigen sich die Befürchtungen: das unverkleidete Naked Bike stemmt sich gegen den starken Fahrtwind; und die breiten Schultern von Elmar Geulen in der rüstungsartigen Rennkombi machen die Aerodynamik auch nicht besser. Zudem herrscht extremer Gegenwind, der sich innerhalb von Sekunden auch mal in gefährliche Seitenböen verwandelt. Alles andere als günstige Bedingungen.

Elmars Kommentar: "Es ist, als würde ich versuchen, eine Schrankwand durch einen Orkan zu schieben!" Krisensitzung. Die Mechaniker Daniel und Lars arbeiten im Schulterschluss mit Mathias Henes von Suzuki International Europe fieberhaft an Details, die eine günstigere Aerodynamik und damit eine bessere Stabilität des Naked Bikes bei Topspeed bringen sollen.

Parallel dazu entscheidet sich Elmar, beim ernsthaften Rekordversuch mit der B-King auf die Rennkombi zu verzichten. Wie ein gegen den Wind gestelltes Segel wirkte die protektorbewehrte Silhouette des kräftigen Extremsportlers. Er wird den Rekordversuch in einem gummierten Triathlon-Schwimmanzug wagen - der ist natürlich deutlich windschlüpfriger, bietet aber keinerlei Sicherheits-Elemente. "No risk, no fun - es geht um einen Weltrekord. Den bekommt man nicht geschenkt" lautet Elmars knappe Erklärung.

Dienstag (06.09.2011) Es wird ernst. Trocken, Sonne - aber der Wind ist noch extremer als gestern. Unkalkulierbar wechselt er Richtung und Heftigkeit. Hektische, aber organisierte Betriebsamkeit kommt auf. Das Drehteam vom MDR unter Leitung von Dr. Frank Bechert trifft ein und ist im Handumdrehen einsatzbereit. Filmemacher Steven Strange aus London steht "Gewehr bei Fuß", um die Action für Suzuki International Europe ins Bild zu setzen.

Das letzte Wort haben die Mechaniker: Sprit rein, noch ein letzter Check - dann erwecken sie die 400 PS der Suzuki Hayabusa zum Leben.

Jetzt geht alles sehr schnell. Die Kamerateams und die technischen Helfer schwärmen aus und versammeln sich an der Lichtschranke mit dem Anzeigedisplay. Gemessen wird auf zwei Wegen: per Präzisions-Lichtschranke sowie mittels eines geeichten GPS-Messgerätes vom extra angereisten TÜV Rheinland. Die Messergebnisse sollen einwandfrei und unanfechtbar sein - schließlich geht es um einen Weltrekord.

Start! Wie ein Pfeil schießt die Hayabusa über die bockige Landebahn - kein komfortables Gleiten, wie andere Rekordfahrer es auf dem Salzsee von Bonneville (USA) erleben. Das hier ist Hardcore. Wenn Elmar bei Tempo 300 nur eine Sekunde lang den Blick von der Piste auf den Drehzahlmesser wendet, dann hat er die Länge eines Fußballfeldes blind durchquert.

Vierter Gang, Fünfter. Dann kann man es hören: der Motor verliert an Leistung. Eine blaue Rauchwolke verheißt nichts Gutes. Elmar kann nur noch ausrollen und passiert die Lichtschranke mit 309 km/h. Schade. Aus.

Die Enttäuschung erfasst alle, die für diesen Moment monatelang hart gearbeitet haben. Einige Minuten lang will niemand reden.

Dann muss es professionell weitergehen, schließlich steht die nächste Rekordjagd an. Den Frust abschütteln und zurück zur Konzentration.

Als Elmar Geulen im dünnen Schwimmanzug aus dem Teambus vor die Kameras tritt, wird allen richtig klar: der Profirennfahrer riskiert für diesen Rekord alles; mehr als jemals zuvor in seiner Karriere. Der Mensch Elmar tritt hinter dem Sportler "Mr. Hayabusa" zurück - so ist es wohl immer, wenn Weltbestleistungen realisiert werden sollen.

Wieder kommt Bewegung in den Tross aus Kameraleuten und Technikern, wieder trifft man sich an der Lichtschranke. Der Startpunkt ist 2600 Meter von hier entfernt (hinter der Lichtschranke beginnt die Bremszone). Bevor wir die B-King sehen können hören wir sie heranfauchen. Es hört sich gut an; keine Spur von Leistungsmangel. Dann fliegen Mann und Motorrad mit martialischem Dröhnen durch die Lichtschranke. 283,4 km/h. Weltrekord! Vergessen sind für einige Augenblicke Frust und Enttäuschung; irgendwie liegen sich alle in den Armen.

Dann ist es Zeit für "Manöverkritik"; und die von Emotionen befreite sachliche Bilanz sieht gut aus: Der von vornherein als der schwerere eingeschätzte Weltrekordversuch ist gelungen. Das aerodynamisch kritische Naked Bike wurde von Elmar Geulen auf Weltrekord-Geschwindigkeit pilotiert. Der Rennfahrer, die Mechaniker und die Vertreter von Suzuki International Europe können zu recht stolz sein auf diesen Erfolg.

Das zweite Rekordziel - aufgrund optimaler Leistungsreserven und guter Aerodynamik als das leichtere angenommen - konnte nicht erreicht werden. Allen Beteiligten war aber auch von Anfang an klar: wenn wir in solche Grenzzonen menschlicher und technischer Leistungsfähigkeit vordringen, dann ist ein Gelingen alles andere als selbstverständlich.

Theoretische Berechnungen auf der Grundlage, dass die Suzuki Hayabusa kurz nach dem Schalten vom vierten in den fünften Gang schon 309 km/h erreicht hatte, ergaben: Rein rechnerisch hätte sich der Topspeed bei 370-380 km/h eingestellt.

Doch "Hätte, Wollte, Könnte" zählt nicht bei Rennprofi Elmar Geulen. Es hat diesmal nicht sollen sein. Punkt.

Technische Defekte kommen "in den besten Familien" vor - Hochleistungsklassen wie Formel 1 und Moto GP können ein Lied davon singen, trotz hoher Budgets und Designer-Rennstrecken. Manchmal ist am besten Motor nur ein kleiner 3-Euro-Schlauch schuld am Totalausfall. Was letztendlich zum Defekt am Hayabusa-Motor führte kann noch nicht gesagt werden. Die Techniker müssen für eine genaue Analyse das Aggregat zerlegen und alles gründlich durchchecken.

"Mr. Hayabusa" und sein Team halten es mit den (leicht abgewandelten) Worten des legendären Fußballtrainers Sepp Herberger: "Nach dem Versuch ist vor dem Versuch."

Elmar Geulen jedenfalls hat sich fest vorgenommen, diesen Weltrekord-Versuch zu wiederholen. Die investierte Arbeit darf nicht umsonst gewesen sein.

Gerade erreichte das Team die konkrete Anfrage einer großen TV-Produktion, den neuen Rekordversuch fürs Fernsehen begleiten zu dürfen. Also: Fortsetzung folgt.

Nachtrag: Mittwoch, 07.09.2011

"Mr. Hayabusa" ist als Kopfgast in die Livesendung "Hier ab Vier" beim MDR in Leipzig geladen. Der Rennfahrer wird gebeten, sich um 14.30 Uhr beim Sender einzufinden. Redaktionelle Vorbesprechung, Maske etc.

Um diese 14.00 Uhr befindet sich Elmar noch in Groß Dölln - 267 Kilometer von Leipzig entfernt, wo sich alle Vormittagstermine verzögert haben.

Um 15.00 Uhr treffen die Team-Pressesprecher von "Internationaler Pressedienst Koch" im Studio ein, wo sie ein cooler, aber leicht besorgter Redaktionsmitarbeiter begrüßt. Wo ist Elmar? Um 15.45 Uhr (15 Minuten vor Sendungsbeginn) kommt von der Redaktion die Info: wir haben eine Deadline, und die ist nun langsam erreicht.

15.52 Uhr lassen die vertrauten Klänge einer Suzuki B-King den Vorplatz zum Studioeingang erzittern, der eigentlich nur für Fußgänger gedacht ist. Zielanflug von "Mr. Hayabusa", der mit Polizei-Eskorte am Sender ankommt. Eigentlich hatte die Polizisten den flotten Biker gestoppt, um mit ihm ein "Hühnchen zu rupfen", weil er die Straßenverkehrsordnung aus Zeitnot ansatzweise etwas locker ausgelegt hatte...

Als Elmar die Situation erklärte zeigten sich die Ordnungshüter jedoch von einer sehr kooperativen Seite und schaufelten dem späten Studiogast den Weg durch Leipzigs dichten Verkehr frei. Riesendank an die Motorradstaffel Leipzig!!! Kurz umziehen, Maske im Stehen, kurzes Briefing zu den Interviewfragen - und pünktlich um vier sitzt ein äußerlich relaxter "Mr. Hayabusa" im Studio und plaudert in gewohnt-unterhaltsamer Manier über seinen jüngsten Weltrekord.

Lifesendung "Hier ab Vier": 07.09.2011- Bericht & Interview – Mr. Hayabusa - Elmar Geulen über neuen Speedweltrekord -283,4 km/h mit „naked bike“ LKM-SUZUKI -B-King